Das ist mein Text
Wehrlose Geschöpfe
Die Geschichte von „Saunigel“ griff der Redakteur der Bäcker-Zeitung, Gehilfenobmann und Gewerkschafter Josef Tobola auf. Im Herbst 1893 veröffentlichte er in der Bäcker-Zeitung zwei Artikel über „Lehrlingselend“ und „Lehrlingszüchterei.“ Er berichtete über eine Reihe von Fällen „von haarsträubender Art“, wie die „Menschenschinder“ – gemeint waren die Meister – ihre Lehrlinge behandeln. Nur einer der erwähnten Bäckermeister klagte aber Tobola wegen Ehrenbeleidigung – Josef Milaček. Er stieß sich an der Formulierung „wo irgendwelche Vergewaltigungen der Arbeiter, besonders derart wehrlose Geschöpfe, wie es unsere Lehrjungen sind, vorkommen, darf Herr Milaček im 10. Bezirk nicht fehlen.“
Peitschenschläge
Tobola schilderte die „unmenschliche Behandlung“ der Lehrlinge in der Großbäckerei: Lehrlinge mussten stundenlang 50 Kilogramm schwere Kleiesäcke aus der Mühle über den Hof in die Mehlkammer im 1. Stock schleppen oder den heißen Dampfkessel vom Kesselstein befreien. Er schrieb über lange Arbeitszeiten, die Nichteinhaltung des Nachtarbeitsverbotes und der Sonntagsruhe für Minderjährige und über die schlechte Kost. Im Prozess würde herauskommen, dass die Lehrlinge nur „sehr selten“ in die Schule geschickt wurden, dass die Behandlung der Lehrlinge „streng“ war, dass sie „wegen jeder Kleinigkeit mit der Peitsche geschlagen wurden“, dass sie beim Bau der Mühle mithelfen mussten und dass sich die Lehrlinge lieber mit altem Gebäck angegessen hatten, als mit der „Zuspeis“ wie harten Knödeln, stinkendem Geselchten oder faulem Fleisch. Und es wurde bekannt, dass Milaček schon einmal wegen Misshandlung eines Lehrlings zu einer Geldstrafe von 15 Gulden verurteilt worden war.
Der Prozess
Am 9. März 1894 begann der von Milaček gegen Tobola angestrengte Ehrenbeleidigungsprozess. Tobola bekannt sich nicht schuldig. Trotzdem eine Vielzahl von Zeugen für Tobola aussagten, seine Geschichten bestätigten, sprach der Richter ihn schuldig, Milaček „geschmäht zu haben“ und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 100 Gulden oder einem Monat Arrest und zur Übernahme der Kosten des Strafverfahrens.