„Die Frau U. hat wieder was gschriebn…“

Ich versuche ja gerade meinen Medienkonsum auf das Nötigste zu beschränken. Ich kann die Corona-News einfach nicht mehr hören, vor allem Tageszeitungen lass ich momentan aus. Doch wenn mir dann schon der dritte Arbeitskollege eine Telegram-Nachricht schickt mit „Was die U. schon wieder von sich gibt“ ruf ich dann halt doch den Standard-Artikel auf, obwohl ich schon vorher weiß dass ich mich drüber ärgern werde.

Der Artikel vom 16. April 2020 „ÖBB will 500 Millionen vom Staat, Kurzarbeit für Altverträge ist tabu“ reiht sich in eine lange Reihe von ausgesprochen schlecht recherchierten Artikeln zur ÖBB (und zur Gewerkschaft bzw. dem Betriebsrat in der ÖBB) ein. Grundsätzlich würde ich ja nicht sagen dass es sich hierbei um klassische „Fake News“ handelt, aber wie schon ein Kollege so schön sagte „das ist nicht richtig falsch“ was sie schreibt.

Worum geht’s?

In ihrem Beitrag spricht die Journalistin von einer Finanzhilfe für die ÖBB aufgrund der Umsatzrückgänge im Personenverkehr und auch im Güterverkehr sowie der Zusammenarbeit zwischen ÖBB und Westbahn auf der Weststrecke. Soweit, sogut – bis dahin war ich beim Lesen noch relativ verwundert, da die Berichterstattung überraschend objektiv und ohne Seitenhiebe war.

„Nur Angestellte in Kurzarbeit“

Hier sind wir wieder beim gewohnten Stil angekommen. Rund 10.000 Angestellte sind zur Kurzarbeit laut ÖBB vorgesehen – laut dem Artikel betrifft das ausschließlich Mitarbeiter die nach 1994 aufgenommen wurden. Da sind wir wieder bei „das ist nicht richtig falsch“. Ja, in einer Betriebsvereinbarung kann ich rein rechtlich nur die Mitarbeiter zur Kurzarbeit aufnehmen, die unter die Anstellungsarten nach 1995 fallen. Um auf die 10.000 Mitarbeiter zu kommen rechnet das Unternehmen sehr wohl auch die „Alteisenbahner“ mit. Die „AVBler“ haben eine einzelvertragliche Vereinbarung, dass eine gehaltskürzende Maßnahme ausgeschlossen ist. Somit ist eine Regelung bzgl. Kurzarbeitsbetriebsvereinbarung für alle ÖBB-Mitarbeiter nicht umsetzbar – das ist kein „Standpunkt der Belegschaftsvertretung“, das ist geltendes Recht.

Recherche ist alles

Hätte die Journalistin vielleicht eine etwas breitere Recherche, würde sie vielleicht wissen, dass es seitens der Belegschaftsvertretung im Einvernehmen mit dem Unternehmen eine Option geschaffen wurde, die es den „AVBlern“ ermöglicht, freiwillig an der Kurzarbeit teilzunehmen und einen finanziellen Beitrag zu leisten. Die Belegschaftsvertretung hat hier eine Vereinbarung innerhalb der Konzernsesellschaften geschaffen, die unter Einhaltung der Rechtskonformität die Kurzarbeit für ALLE Vertragsverhältnisse in der ÖBB ermöglicht. Wie viele diese Option tatsächlich annehmen kann man jetzt noch nicht genau sagen da die Ausarbeitung der Kurzarbeit in vielen Bereichen noch läuft, aber Ablehnung sieht definitiv anders aus. Viele Kollegen sind bereit solidarisch ihren Beitrag (natürlich mit Reduktion des Arbeitsaufwandes entsprechend des Kurzarbeitsmodelles) zu leisten.

„Der gemeine Alteisenbahner“

Weiters stößt mir der Absatz bezüglich der „[…] Großteil der rund 18.600, teureren Alteisenbahner, die sogenannten AVB-Bediensteten, wurden sukzessive in die staatlich finanzierte ÖBB-Infrastruktur verschoben […] auf. Das hört sich so an, als wenn die ÖBB-Infrastruktur das Auffangbecken für Alteisenbahner in der ÖBB wäre. Dem ist nicht ganz so. Die ÖBB-Infrastruktur hat seit einigen Jahren ein Programm zum Generationenmanagement wo sukzessive junge Mitarbeiter aufgenommen wurden und werden. Die 18.600 „Alteisenbahner“ teilen sich auf den gesamten Konzern auf und beschränken sich nicht nur auf die ÖBB-Infrastruktur. Und dass gezielt AVBler in die ÖBB-Infrastruktur verschoben wären ist einfach „richtig falsch“. Ja, es wurden/werden Bereiche dorthin verschoben – unter anderem aus wettbewerbstechnischen Gründen oder Aufgrund von Prozessoptimierungen (oder einfach nur, weil der Unternehmensberater bei der Umstrukturierung es für richtig hält). Aber es sind keine „AVBler“ gezielt verschoben worden um „teure Altlasten“ aus den marktorientierten Bereichen loszuwerden. Als „Alteisenbahner“ hat man es oft schwer, den Job intern zu wechseln da die Konzerngesellschaften (ja, auch die Infra!) oft lieber einen jungen, billigeren Mitarbeiter vorziehen. Jetzt auch nicht grad das gelbe vom Ei für den Mitarbeiter, der eigentlich schon in Pension sein könnte – wäre da nicht Blau-Schwarz I gewesen (aber das ist eine andere Geschichte…)

„Nahmhafte Arbeitsrechtsexperten“

Es gäbe genug Kritik an der Vorgehensweise der ÖBB bezüglich Einführung der Kurzarbeit (oder auch zum Thema „Verschieben von Bereichen“) – aber hier den schwarzen Peter den „Alteisenbahnern“ und der Belegschaftsvertretung zuzuschieben ist einfach eine Frechheit. Und was ich bisher gelernt hab: „Namhafte Arbeitsrechtsexperten, die nicht genannt werden wollen“ sind auch keine vertrauenswürdige Quelle.

Es ist sicher nicht einfach, einen Bericht von außen über den Eisenbahnbereich im generellen zu recherchieren da das Thema sehr komplex ist und einiges an Hintergrundwissen erfordert um wirklich seriös darüber zu schreiben so dass es auch noch verständlich und interessant ist. Ein bisschen mehr „richtig richtig“ würd mir für den Anfang schon reichen.